Contents:
'Sehr geehrter Herr!
Ihre freundliche Zuschrift de dato Heidelberg 16. Aug. lf. wurde mir nach Ṣan'â nachgesandt. Ihr Inhalt bildete für mich einen kleinen Trost in meiner traurigen Lage, denn von aller Welt, am allermeisten aber von den Orientalisten verlassen u. angefeindet, angesichts der bitteren Stunden, die mir bevorstehen, war eine Anerkennung meines bescheidenen Strebens seitens eines so hervorragenden Gelehrten wie Sie Balsam auf die tiefen Wunden, die man mir geschlagen u. noch schlägt, weil ich das Verbrechen begangen habe, alles für die Wissenschaft zu opfern.
Rechnen Sie sich freundlichst aus, welches Leben man führen u. welche Reisen & Forschungen man unternehmen kann, wenn einem im Ganzen 800, sage acht hundert österreichischen Papiergulden zur Verfügung stehen, von denen man seit mehr als einem Jahre alle Auslagen, selbst die Reisekosten von Constantinopel bis hierher zu bestreiten hat!
Neue Mittel zu erlangen, ist mir durch meine orientalistischen Wiener Gegner zur Unmöglichkeit gemacht worden, da man nicht einmal einen Nothschrei in die Öffentlichkeit durch lässt. Geld zur Rückkehr habe ich auch nicht mehr! Indess ich verzweifle nicht, auch wenn in ganz Europa kein einziger Mensch sich finden sollte, der der Gerechtigkeit u. dem aufopfernden Streben das Wort redet. Man gebe Schwindlern auch weiterhin Tausende von Thalern u. lasse in Gottes Namen einen ehrlichen armen Menschen mitten in Arabien verhungern!
...
Komme es wie es wolle, ich werde der undankbaren Wissenschaft treu bleiben, wie bisher u. sollte ich selbst ein Opfer meines Idealismus werden! Meine Mörder sind keine Araber, wol aber einige intrigante Orientalisten, die für ihr dolce far niente ... Amt u. Würden und Einkünfte erhalten und dabei alles aufbieten, um einem armen Teufel selbst die Rettung des nackten Lebens unmöglich zu machen!
Ich habe vor einigen Wochen eine kleine Abhandlung über die alten südarabischen Reiche u. Könige verfasst, welche diesen Helden beweisen wird, wie hohl ihre Wissenschaft ist, auf deren Grund sie academische Loorbeeren ärnten. Ich habe Veranlassung getroffen, dass die Arbeit auch Ihrer Beurtheilung unterbreitet werde, sobald sie im Drucke erschienen sein wird, denn in Wien, der Hauptstadt meines Vaterlandes oder richtiger Reichsvaterlandes, ist es Prinzip geworden, von mir u. meinen Arbeiten keine Notiz zu nehmen.
Indem ich bitte, mir Ihre gütigen Gesinnungen zu bewahren zu wollen, auch jetzt, wo Sie wissen, dass ich eigentlich zum Verhungern verurtheilt bin, zeichne ich hochachtungsvollst u. in Verehrung
Eduard Glaser'
'Dieser Brief wird durch meinen Bruder, Siegmund Glaser, Prag II Apolinargasse 14 bestellt werden.'
Short description:
In his letter to Alois Sprenger (1813-1893), Professor of Oriental Languages, Eduard Glaser (1855-1908) gives an account of his condition in Ṣanʿāʾ: Having run out of money, which he had to spend on travel costs, he feels abandoned to his fate.
He describes Sprenger's letter as a 'small consolation in his sad situation', as it represents the recognition of an outstanding scholar for his modest endeavour. Deeply disappointed that his works remain unnoticed by scholars of Oriental studies in his homeland, he asks Sprenger to preserve his friendly disposition towards him ...
|
|